Call for Abstracts: „Lost in translation? Inter-, Cross- und Transmediales Erzählen“ (3.7.2026)
Call for Abstracts: „Lost in translation? Inter-, Cross- und Transmediales Erzählen“ (3.7.2026)
“Lies lieber das Buch, im Film kommt gar nicht richtig rüber, dass…”
“Ist dir die Referenz aufgefallen?”
“Jetzt gibt es dazu sogar schon ein Brettspiel.”
Aussagen wie diese reflektieren die vielfältigen Beziehungen zwischen Medien und gehen meist auch mit einem Urteil einher. Unser Call for Abstracts (CfA) sieht in diesem persönlichen Ge- oder Missfallen Erkenntnispotential und möchte es zum Anlass nehmen, um wissenschaftlich über die Phänomene Inter-, Cross- und Transmedialität nachzudenken. Die Begriffe, die wir dafür gewählt haben, wurden und werden nicht immer gleich benutzt, daher geben wir an dieser Stelle einen kurzen Überblick darüber, was wir darunter verstehen. Wir laden jedoch dazu ein, in den Vorträgen eigene Begriffsarbeit zu betreiben.
Intermedialität umfasst verschiedene Arten der Bezugnahme von einem Medium auf ein anderes. Darunter fallen Kombinationen von verschiedenen Medien, vor allem aber intermediale Zitate. Oliver Jahraus (2017) zeigt in Bezug auf die Literatur, dass Medien, wenn sie andere Medien thematisieren, zugleich auch ihre eigene Medialität reflektieren. Wenn beispielsweise in einem Film ein Buch vorkommt, das mehr als nur Requisite zu sein scheint, lohnt es sich genau hinzusehen, denn in solchen Fällen setzt sich das rahmende Medium zu dem thematisierten Medium in Beziehung und positioniert sich damit auch selbst im medialen Gefüge. Was würde sich ändern, wenn die Protagonist:innen in Gabrielle Zevins Roman Tomorrow, and Tomorrow, and Tomorrow keine Computerspiele programmieren, sondern Filme drehen würden? Welche Möglichkeiten gibt es, ein anderes Medium nicht nur inhaltlich zu zitieren (z.B. ‘filmisches’ Erzählen in der Literatur)? Welche Rezeptionsgemeinschaften ergeben sich durch intermediale Bezugnahmen?
Unter Crossmedialität verstehen wir die klassische Adaptation, das Erzählen einer bekannten Geschichte in einem anderen Medium, also den Wechsel von einem semiotischen System in ein anderes. Wie beim Crossover wird etwas Trennendes überquert; in diesem Fall die Grenze zwischen zwei Medien. Crossmedialität lässt sich insofern auch als – prominenter – Sonderfall einer intermedialen Bezugnahme verstehen. Buchverfilmungen sind dafür wohl das Paradebeispiel, doch Medienwechsel können zwischen verschiedenen Medien und in verschiedene Richtungen stattfinden. Ging man in der Narratologie anfangs noch davon aus, dass Erzählungen ohne Verlust von einem Medium in ein anderes transferiert werden können, betont sie heute das Spezifische jedes Mediums: Bei jedem Medientransfer müssen konzeptionelle Entscheidungen getroffen werden, was genau transferiert werden soll und mit welchen Mitteln. Ein Medienwechsel stellt insofern immer auch eine Interpretation dar. Welche neuen Bedeutungsdimensionen kann die Übersetzung in ein anderes Medium eröffnen? Welche Aspekte der Vorlage werden als zentral angesehen und daher bewahrt und wo geht die Adaptation eigene Wege? Welche Schlüsse lassen sich aus Adaptationen in Bezug auf die spezifische Medialität sowohl des Ausgangs- als auch des Zielmediums ziehen?
Wird keine bestimmte Erzählung adaptiert, sondern eine neue Geschichte in einer bereits etablierten Welt erzählt, kann das zur Geburtsstunde einer transmedialen Storyworld werden, an der viele verschiedene Medien und Akteure partizipieren. Crossmedialität mündet dann in Transmedialität. Moritz Baßler (2023) bezeichnet solche Welten als “bewohnbare Strukturen”, weil sie es Rezipient:innen leicht machen, in ihnen ‘heimisch’ zu werden. Wer die Star-Wars-Filme gesehen hat, dem wird es leicht fallen, sich in einem Star-Wars-Pen-and-Paper-Rollenspiel zurechtzufinden. Wer die Welt in einem Medium schätzen gelernt hat, ist potentiell auch an anderen Medien interessiert, die diese Welt erweitern. Transmediale Welten reagieren auf das Verlangen, noch länger in einer Storyworld zu verweilen. Das kommt beispielsweise in Fanfiction zum Ausdruck und lässt sich auch kommerziell nutzen. Daher werden transmediale Welten inzwischen gezielt von Medienkonzernen konzipiert und sind Teil dessen, was Henry Jenkins als “Medienkonvergenz” bezeichnet. Sie sind jedoch keine Erfindung des Kapitalismus. Die Welt von König Artus und seinen Rittern der Tafelrunde beispielsweise kann ebenfalls als (seit vielen hundert Jahren produktive) transmediale Welt avant la lettre beschrieben werden und auch heute noch entstehen transmediale Welten manchmal ungeplant (was eine spätere Kommerzialisierung natürlich nicht ausschließt). Welche formalen Eigenschaften teilen (nicht zwingend finanziell) erfolgreiche transmediale Erzählwelten? Welchen (möglicherweise marginalisierten) Perspektiven wird durch Spin-Offs, Fanfiction und multilineares/-perspektisches Erzählen Geltung verschafft? Welche Synergieeffekte und Wechselwirkungen ergeben sich innerhalb einer transmedialen Erzählwelt?
Anlass für den CfA ist der jährliche Studientag der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft (AVL), der am 3. Juli 2026 an der Bergischen Universität Wuppertal stattfinden soll. Der Studientag bietet die Möglichkeit, in einem konstruktiven Klima erste Vortragserfahrung zu sammeln und richtet sich vor allem an Studierende und PräDocs, steht jedoch allen Interessierten offen. Wer gerne einen Vortrag halten möchte, schicke bitte ein Abstract von circa 300 Wörtern plus eine kurze biografische Angabe bis zum 22. Februar 2026 an pierre.treffler[at]uni-wuppertal.de. Pro Person sind Zeitslots von 30min vorgesehen: 20min Vortrag und 10min Diskussion. Wir geben Ihnen Anfang März Bescheid, ob Ihr Abstract angenommen wurde. Wir wünschen uns bei den Vorträgen ein breites Spektrum an erzählenden Medien und freuen uns über Fallstudien, die besonders markante oder ungewöhnliche Beispiele unter die Lupe nehmen. Dabei sollte immer auch mitgedacht werden, welche Konsequenzen ihre Beobachtungen über den Einzelfall hinaus – etwa in Hinblick auf das Medium, seine Beziehung zu anderen Medien oder über Erzählen an sich – haben. Als weitere Inspiration geben wir Ihnen die folgenden Themenbereiche mit:
Sollten noch Fragen offen sein, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an: pierre.treffler[at]uni-wuppertal.de
Die Organisator:innen des Studientags
(Franziska Ascher, Lea Hoffmann, Laurin Langer, Sawsan Mahmoud, Wiebke Martens, Pierre Treffler, Felix Wittmeier, Victoria Witzel)
Literatur
Baroni, Raphaël / Goudmand, Anaïs / Ryan, Marie-Laure (2023): Transmedial Narratology and Transmedia Storytelling. In: Jørgen Bruhn/Asunción López-Varela/Miriam de Paiva Vieira (Hg.): The Palgrave Handbook of Intermediality. Cham: Springer Nature Switzerland; Imprint Palgrave Macmillan, 1-25.
Baßler, Moritz (2022): Populärer Realismus. Vom International Style gegenwärtigen Erzählens. München: C.H.Beck.
Jahraus, Oliver (2017): Was heißt es, Literatur als Medium zu interpretieren? Zur Medialität der Literatur. In: Das Medienabenteuer. Aufsätze zur Medienkulturwissenschaft. Würzburg: Königshausen & Neumann, 105-121.
Jenkins, Henry (2006): Convergence Culture. Where Old and New Media Collide. New York: New York University Press.
Ryan, Marie-Laure; Thon, Jan-Noël (Hg.) (2014): Storyworlds across Media. Toward a Media-Conscious Narratology. Lincoln [u.a.]: University of Nebraska Press (Frontiers of narrative).
Redaktion
Prof. Dr. Ursula Kocher (Fachsprecherin)